Samstag, 19. November 2016

Preistexte Nachwuchs NRW: Tamara Malcher


















Laudatio zu „kletterbäume auf den zungen“ von Tamara Malcher
In „kletterbäume auf den zungen“ fängt Tamara Malcher den Augenblick ein, in dem eine neue, fast schon aufgegebene Beziehung beginnt. Obwohl man kaum etwas über das Paar weiß, entwirft die Autorin mit bloßen Andeutungen ganze eine Szene, die sich wie von allein im Kopf des Lesers vervollständigt. Es ist die Rede von einer fünften Zigarette, es scheint also schon ein längeres Gespräch vor dem Haus zu sein, das die beiden führen. Und dennoch wird das lyrische Ich weder hineingebeten noch weggeschickt, sodass es die Hoffnung auf eine Beziehung schon zu Beginn des Gedichtes mit dem Zaunpfahl begräbt. Mit einer Leichtigkeit nimmt Tamara Malcher Sprachbilder aus der Garten-/Naturwelt und setzt sie ein in einen neuen und ganz eigenen Kontext, der hier auch von einer augenzwinkernden Melancholie geprägt ist: „in zeiten des bienensterbens ist es schwer//ein selbstportrait mit bienenschwarm zu malen“ heißt es da zum Beispiel. Mag man ...

hierbei an eine bloße Schwärmerei denken, die nicht ausreicht, um mehr daraus zu machen, schwingt mit dem Bienensterben noch etwas Anderes mit. Denn es ist unsere Zeit, in der die Bienen sterben, in der die Welt auf eine bestimmte Weise geordnet und durch den Mensch beeinflusst wird, dass für die Natur und somit auch für die Bienen weniger Raum bleibt. Im übertragenen Sinne auch weniger Raum für eine Beziehung oder eine belanglose Schwärmerei. Und doch es ist es in dem Gedicht nicht einmal wertend gemeint; das lyrische Ich zieht fast schon pragmatisch den Schluss, dass es in diesen Zeiten schwer sein muss das Selbstportrait mit Bienenschwarm zu malen. Umso überraschender kommt schließlich der Wendepunkt: erneut wird das Bienenbild aufgegriffen, als das lyrische Du plötzlich Honig auf die Wangen des lyrischen Ichs fliegt. Es ist dieses eigensinnige Bild auf dem das Gedicht endet – wie eine Art Schnappschuss oder eine Momentaufnahme, die sich einbrennt. Tamara Malcher spielt in dem Gedicht mit der Imagination des Lesers, vieles klingt an und bleibt gleichzeitig offen, schwer fassbar. Und genau das fasziniert. Wie auch das Thema: Beziehung, heute und bleibt dafür tatsächlich weniger Raum? Es lässt nachdenklich zurück. Wie es jedoch mit dieser speziellen Beziehung weitergeht bleibt so offen wie das Gedicht. Das wichtigste ist hier der Augenblick selbst, der, ohne kitschig zu sein, in der hoffnungsvollen Spannung zwischen dem Aufgeben und dem Beginn einer Beziehung steht.

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