Laudatio
zu Meike Wanners Gedicht „Im Treibhaus“
Im Spiel mit der Redewendung
„im Glashaus mit Steinen um sich werfen“ zeichnet Meike Wanner ein etwas
anderes Familienportrait: stellt das Treibhaus die Familie zunächst im wahrsten
Sinne als eine Art Mikrokosmos oder Schutzraum dar, in dem ein Kind aufwachsen
und gedeihen soll, wird schnell deutlich, dass dieses Gewächshaus anders ist.
Das Treibhaus besteht nämlich aus „väterlichem Panzerglas“, stabil genug, um
die Familie zusammenzuhalten und einen Ausbruch daraus zu verhindern,
ironischerweise kann es aber keinen (Wut-)Ausbruch innerhalb der vier Wände
aufhalten. ...
Während des ganzen Gedichtes gelingt es Meike Wanner eine
eigensinnige Spannung aufzubauen, indem sie dem Leser das Geschehen aus der
Außenperspektive vorführt und ihn so die Rolle des bloßen Beobachters und
stillen Mitwissers drängt. Man liest von fleißigen Lieschen, die hart arbeiten
müssen, „um Tropfen zu trinken“, welche eigentlich ihre Überlebensgrundlage
sein müssten. Es gibt auch „gemeine Stiefmütterchen“, die laut nach dem Jungen
rufen. Doch welche Rollen beide in der inneren Familiendynamik genau spielen
bleibt unklar. Es ist als wäre die Familie tatsächlich hinter Glas, sichtbar
nicht funktionierend, ein Eingreifen von außen jedoch ist unmöglich. Mit nur wenigen
Worten gelingt es Meike Wanner die ganze Tragik dieser Familiengeschichte zu
fassen; die Protagonisten charakterisierend, jedoch nicht bewertend in ihren
Aktionen, Mitgefühl weckend, aber den Leser außen vor und vor dem Glas lassend
– geschrieben ist das Gedicht in dieser faszinierenden Balance, die nichts
weiter als Zerissheit ist und mehr noch: diese Zerrissenheit, dieses
Aufgewühltsein auch im Leser auslöst. Genau wie das Schlussbild, das einen
Jungen zeigt, der inmitten von Trümmern spielt, die er selbst verursacht hat.
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