Mittwoch, 5. Oktober 2016

Vorgestellt: „Der Kokon bricht auf“ von Johanna Mack (Jg. 1994)

Am Ende ist es immer eng. Jeder, der schon einmal in einer Jury mitgewirkt hat, kennt das. Die Zahl der in Frage kommenden Texte und Autoren ist größer als die Zahl der zu vergebenden Auszeichnungen. Deshalb hat die Junge Jury von postpoetry.NRW in diesem Jahr beschlossen, einige der Finalisten zumindest auf der Web-Seite des Projektes mit ihrem Text vorzustellen.

Besonders gern tun wir dies mit der in Lünen lebenden Johanna Mack, die aufgrund eines Auslandssemesters auf die Auszeichnung verzichten musste.












Der Kokon bricht auf
von Johanna Mack

Ich wusste, der Winter hat dich
als die Straßenlaternen zu jagen begannen
als deine Morgenmilch sich grau färbte
als der Zug von den Gleisen tanzte
als Staub seine Schienen verschneite auf deinem Regal

Bevor du es bemerktest
sah ich dich verfolgt von
den weißen Wanderern
deine Treppenstufen demontierend
als du so stark warst
dass Spatzen in deiner Hand barsten
und wir alle suchten Schutz auf dem Balkon
während du die Herde durchmarschieren ließest
(Wuchernde Eislilien blockierten uns die Sicht)

Seitdem
umkreist du die Pfützen
- ihre Regenbogen könnten dich ertränken –
zitterst in der Mittagssonne
umschleichst die Skizze der Festung

wir zögern auf der Kante jedes schwindelnden Wortes

Johanna Mack (Jahrgang 1994) lebt in Lünen. Sie ist Studentin der Angewandten Literatur- und Kulturwissenschaften und Journalistik an der TU Dortmund sowie im Fach Französisch an der Ruhr Universität Bochum. 

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