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Samstag, 19. November 2016

Preistexte Nachwuchs: Thang Toan Nguyen - Publikumspreis 2016


















Laudatio zu „Kreuzworträtsel“ von Thang Toan Nguyen
Thang Toan Nguyen führt uns mit seinem Text in eine Situation, in der das Ich des Gedichts sowohl mental als auch kognitiv unentschlossen, ja widersprüchlich gestimmt wirkt, auf jeden Fall nicht ganz bei der Sache ist, die es vorgibt zu tun, nämlich ein Kreuzworträtsel zu lösen. „Stehend pendelt der Stift“.
Das Ich nimmt die vorgestanzten Buchstabenkästchen nicht richtig wahr, scheint dies auch gar nicht zu wollen, denn für „Muster“ und „Wissenprediger“ fehlt ihm das Interesse.
Stattdessen unterläuft der Schreibende die Vorgaben und lässt seiner Kreativität freien Lauf, ignoriert Frakturen und notiert stattdessen Neologismen.

Und so vertreibt er sich die Zeit, indem er mit Wortfetzen experimentiert, die für das Kreuzworträtsel vermutlich nicht zu gebrauchen sind. Am Ende setzt er zum „Federstreich“ an. Was seinen Streichungen zum Opfer fällt, wird nicht vollständig klar, sicher ist nur, dass das Ich des Gedichts sich nicht den Vorgaben anpasst, sondern seinen eigenen Regeln folgt: „was ich schreibe ist falsch, doch es passt.“

Thang Toan Nguyen hat ein Gedicht verfasst, das anders als Kreuzworträtsel in gewisser Weise rätselhaft bleibt und sein will. Ihm geht es offenbar mehr darum, den Prozess der Subversion darstellen, mit dem vorgegebene Spielregeln unterlaufen werden. Damit aber beschreibt der Autor in gewisser Weise den Prozess, wie ein Gedicht entstehen kann: sich die größtmögliche Freiheit im Umgang mit der Sprache zu nehmen und durch die Brechung von Sprachregelungen Neues zu schaffen. 

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