Samstag, 19. November 2016

Preistexte Nachwuchs - Meike Wanner



















Laudatio zu Meike Wanners Gedicht „Im Treibhaus“
Im Spiel mit der Redewendung „im Glashaus mit Steinen um sich werfen“ zeichnet Meike Wanner ein etwas anderes Familienportrait: stellt das Treibhaus die Familie zunächst im wahrsten Sinne als eine Art Mikrokosmos oder Schutzraum dar, in dem ein Kind aufwachsen und gedeihen soll, wird schnell deutlich, dass dieses Gewächshaus anders ist. Das Treibhaus besteht nämlich aus „väterlichem Panzerglas“, stabil genug, um die Familie zusammenzuhalten und einen Ausbruch daraus zu verhindern, ironischerweise kann es aber keinen (Wut-)Ausbruch innerhalb der vier Wände aufhalten. ...

Während des ganzen Gedichtes gelingt es Meike Wanner eine eigensinnige Spannung aufzubauen, indem sie dem Leser das Geschehen aus der Außenperspektive vorführt und ihn so die Rolle des bloßen Beobachters und stillen Mitwissers drängt. Man liest von fleißigen Lieschen, die hart arbeiten müssen, „um Tropfen zu trinken“, welche eigentlich ihre Überlebensgrundlage sein müssten. Es gibt auch „gemeine Stiefmütterchen“, die laut nach dem Jungen rufen. Doch welche Rollen beide in der inneren Familiendynamik genau spielen bleibt unklar. Es ist als wäre die Familie tatsächlich hinter Glas, sichtbar nicht funktionierend, ein Eingreifen von außen jedoch ist unmöglich. Mit nur wenigen Worten gelingt es Meike Wanner die ganze Tragik dieser Familiengeschichte zu fassen; die Protagonisten charakterisierend, jedoch nicht bewertend in ihren Aktionen, Mitgefühl weckend, aber den Leser außen vor und vor dem Glas lassend – geschrieben ist das Gedicht in dieser faszinierenden Balance, die nichts weiter als Zerissheit ist und mehr noch: diese Zerrissenheit, dieses Aufgewühltsein auch im Leser auslöst. Genau wie das Schlussbild, das einen Jungen zeigt, der inmitten von Trümmern spielt, die er selbst verursacht hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen