Obwohl beide Texte also ein ähnliches Sujet haben, nähern sie sich ganz unterschiedlich ihrer Hauptperson. Das stellten auch die Oberstufenschülerinnen und -schüler der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule in Bonn Bad Godesberg fest, wo nun die von Simone Scharbert moderierte Lesung der Preisträgerinnen stattfand. Rege beteiligten sie sich mit ihren vielen Fragen am Geschehen dieses Morgens. „Warum wechseln die Zeiten in Ihrem Gedicht?“, wollte eine Schülerin wissen.
Das
eine, erklärte Lyrikerin Brenne-Markner, sei das vergangene Geschehen, das
andere die Erinnerung und ihre Auswirkungen bis in die Gegenwart. Auch nach dem
Tod der Großmutter und dem Ende der Kinderzeit blieben nicht nur die Trauer,
sondern auch das Schöne im Gedächtnis, beispielsweise der Himbeersirupduft,
beispielsweise die Leichtigkeit der Federkugeln des Löwenzahns. Genau diese Qualität hatte
auch die Jury bei ihrer Textauswahl hervorgehoben: „…der Textraum des Gedichts
(vermag) auf beglückende Weise beides zu bergen: das Glück und den Verlust.“
Ganz anders war der Zugriff
auf das Großmutterthema von Karoline Marliani. Sie griff in ihrem kurzen
Gedicht eine kleine Szene auf, in der die Großmutter versehendlich das
Enkelkind an einer mit Schnodder verschmierten Stelle küsst. „SCHMACK“. Das
Kind fühlt sich unwohl, ja schuldig für diese Situation. Für Marliani spielen
Reim und Rhythmus ihrer Texte eine herausragende Rolle. Das – so erklärte sie
den Schülerinnen und Schüler – komme daher, dass sie von früh auf Musik gemacht
habe und Gedichte seien eben auch eine Form von Musik. Außer Lyrik schreibt die
junge Autorin, die derzeit in Köln studiert, auch Prosa, u. z. „Dark Fantasy“.
Nach fünf Jahren sei ihr erster Roman nun endlich fertig gestellt. Das
Schreiben sei für sie immer wichtig gewesen. Sie habe schon Geschichten
diktiert, ehe sie überhaupt die Buchstaben erlernt habe.
Durch den lebendigen Morgen
führte Autorin und Lyrikerin Simone Scharbert, die u. a. Lyrik an der
Universität Köln unterrichtet. Sie wusste die Schülerinnen und Schüler
wunderbar ins Geschehen einzubinden. Es war ein Morgen „ohne Gewicht“ (I.
Brenne-Markner in einem Gedicht), der zugleich sehr gewichtig war, führte der
doch an Schreibweisen von
Gegenwartslyrik und Ansatzpunkte des Verstehens heran.