Simone Scharbert und Jonas Wagner überzeugten
mit ihren Gedichten und gaben Einblick in ihre Textwerkstatt
v.l.n.r. Thomas Kade (Moderation), Jonas Wagner (Nachwuchspreisträger), Simone Scharbert (Lyrikerin) |
Seit
vier Jahren besuchen jeweils zwei Preisträger*innen des Projektes
postpoetry.NRW mit ihren Texten die Stadtbibliothek Bielefeld.
Seit
vier Jahren sind Oberstufenschülerinnen und -schüler der Gesamtschule Rosenhöhe
u. a. mit ihrer Lehrerin Frau Löwenstein zu Gast.
Und
seit vier Jahren staunen die Autor*innen, wie wunderbar die Räumlichkeiten der
Stadtbibliothek sind und wie kompetent die Schüler*innen sie zu ihren Texten
befragen. Die konzertierte
Aktion von Bibliothek, Schule und postpoetry.NRW gelingt wunderbar und zum
Gewinn aller Beteiligten, weil drei engagierte Partner zusammenwirken.
Am
vergangenen Mittwoch waren also Simone Scharbert und Jonas Wagner, Preisträger*in des Jahres 2018, in Bielefeld zu
Gast.
Jonas
Wagner überzeugte nicht nur mit seinem Preistext „Sonntag“ (siehe
Lyrikpostkarten), sondern auch mit seinem spielerischen, spartenübergreifenden
Umgang mit der Lyrik. Er forderte bspw. die jungen Gäste auf, in seinem „Scrabbelgedicht“
Sprachverbindungen zu finden. Mit viel Arbeitsaufwand hatte er zu seinem
Gedicht „täglich“, das die Situation des
Schreibens unter Zeitdruck zum Gegenstand hat und die Selbstaufforderung,
weiter zu machen, thematisiert, einen Trickfilm gestaltet. Dabei ging es nicht
etwa um eine Redundanz von Wort und Bild, sondern um eine Erweiterung der
Wahrnehmung, besonders auch im Hinblick auf den Klang. Das Hörerlebnis wurde
zum Percussionserlebnis und verriet den Musiker und Marimbaphonspieler Jonas
Wagner.
Auch
bei Simone Scharbert, die u. a. Texte aus ihrem Lyrikband „ERZÄHL MIR VOM ATMEN“ (2017) las, spielten
Rhythmik und Klang eine Rolle. Sichtbar wurde dies in ihrer Art, die Gedichte
zu „dirigieren“ und zu sprechen. Gegenwärtig, so berichtete sie, hat sie eine
spezifische Form ihrer Lyrik, die durch einen Kasten begrenzt wird, gefunden: Die
Texte dürfen über diesen Rahmen nicht hinaus wachsen. Das verlangt Kürzung und „Arbeit
in die Tiefe“ erklärte sie.
Thematisch
stellte sie in zwei Leseblöcken unterschiedliche Textzyklen vor: zum einen ging
es um Materialien, wie beispielsweise RAUHFASER: „und stell dir vor wir wohnten
in einem raum raugefasert aus/dünnem holz späne ehemals großer bäume auf
unseren/wänden…“
Zum
anderen ging es im Rekurs auf Thomas Kling, für den Wespen eine besondere Rolle
spielten, und in der Verarbeitung eines besonderen Erlebnisses um das Thema „Wespen“.
Dem aufmerksamen Publikum entging es
nicht, dass die satzzeichenfreie Kleinschreibung von Simone Scharbert an einer
Stelle durch Kursivschrift mit Interpunktion unterbrochen wurde: „wespe, wespe komm in meinen mund…“ Die
Textstelle konnte auf Nachfragen als Zitat von Marcel Beyer identifiziert
werden.
Im „Wespenkontext“
wunderte es kaum, dass Simone Scharberts Preisgedicht sich ebenfalls dem ganz
Kleinen, dem „REICH DER FACETTE“ widmet und sich auf eines anderes Insekt,
nämlich die Biene, bzw. das Facettenauge der Biene, bezieht.
Das einzige
Bedauerliche dieses Morgens war, dass der WDR (TV) sein Kommen kurzfristig absagen musste. Wirklich
schade!
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